Warum die Wolfsburger Pleiten doch ein Schritt nach vorne sind

Vier Spiele, drei Punkte, der VfL Wolfsburg ist nicht gut aus den Startlöchern gekommen. Und dennoch will Trainer Ralph Hasenhüttl nichts von einem Fehlstart wissen – weil er nachvollziehbar einen Entwicklungsschritt erkennt.

Bayern und Bayer wanken, fallen aber nicht – Hasenhüttls Erwartung

Als Ralph Hasenhüttl am späten Sonntagnachmittag nach dem bitteren 3:4 bei Bayer Leverkusen um eine Bewertung des Wolfsburger Saisonstarts, der mit drei Punkten aus vier Spielen rein tabellarisch betrachtet ziemlich schwach ausfällt, gebeten wird, da lacht der Österreicher kurz auf. „Ich finde es schade, dass nach solch einem Spiel diese Frage kommt“, sagt der Trainer.

Der Frust ist riesig bei ihm, der Blick auf die Tabelle passt nicht zu seinem Gefühl, wonach sich sein Team auf einem guten Weg befindet. „Ich habe eine Mannschaft gesehen“, unterstreicht der 57-Jährige schließlich, „die eine klare Handschrift gezeigt hat und mit viel Mut das auf den Platz gebracht hat, was wir zeigen wollen.“

Und damit ist dem VfL objektiv betrachtet trotz der noch ausbleibenden Ergebnisse schon einmal ein Schritt gelungen im Vergleich zur Vorsaison, als über weite Strecken einer verkorksten Spielzeit, in der Hasenhüttl acht Runden vor Schluss das Steuerrad von Niko Kovac übernahm, vergeblich nach so etwas wie einer Handschrift gesucht wurde.

Als Beleg des Vorankommens lassen sich Vergleiche ziehen zwischen den aktuellen Begegnungen mit Bayer sowie dem FC Bayern München (2:3) und den Rückrundenpartien der Vorsaison gegen diese zwei Spitzenteams, die jeweils mit 0:2 verloren wurden.

Abstand zu den Topklubs wurde verkleinert

Der Abstand zu den deutschen Topklubs, das ist eine Vorgabe in dieser Saison, solle verkleinert werden, und das ist gemessen an diesen Partien schon mal trotz des faktischen Fehlstarts gelungen. Wolfsburg brachte sowohl Bayer als auch die Bayern ins Wanken. Wenn auch nicht zum Fallen.

„Wir sind die einzige Mannschaft, die gegen Bayern in dieser Saison schon mal in Führung war.“ (Wolfsburgs Trainer Ralph Hasenhüttl)

Beispiel Bayern: War Wolfsburg dort im Mai am vorletzten Spieltag der Vorsaison  an Harm- und Chancenlosigkeit gegen eine B-Elf des Rekordmeisters kaum zu überbieten (Hasenhüttl: „Da waren wir mit dem Holzschwert unterwegs“), so brachte der VfL die Münchener nun zum Start der neuen Spielzeit an den Rand einer Niederlage, ging nach dem Seitenwechsel sogar durch einen Doppelschlag von Lovro Majer mit 2:1 in Führung.

„Wir sind die einzige Mannschaft“, streicht der Trainer heraus, „die gegen Bayern in dieser Saison mal in Führung war.“ Der Haken: Kaufen können sich Hasenhüttl und seine Spieler davon nichts, und Punkte bringt dies ebenso wenig.

Auch nicht der über weite Strecken mitreißende Auftritt am Sonntag in Leverkusen. Mit einem 3:2 ging der VfL beim Deutschen Meister in die Pause und hätte auch nach dem schnellen 3:3 noch selbst zum Siegtreffer kommen können, Neuzugang Salih Özcan traf jedoch das leere Tor nicht. Und dann nahm das Unglück seinen Lauf. Erst flog Yannick Gerhardt – eine äußerst harte Entscheidung – vom Feld, dann erzielte Bayer in der Nachspielzeit den Siegtreffer. Und der VfL stand zum dritten Mal in dieser Saison mit leeren Händen da.

Deswegen verzeiht Hasenhüttl seinem Team Niederlagen

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Und war doch anders aufgetreten als noch im März, als man unter Hasenhüttl-Vorgänger Kovac gegen den späteren Meister wie das Kaninchen vor der Schlange agiert hatte, letztlich in Unterzahl (Gelb-Rot für Moritz Jenz) ausschließlich um Schadensbegrenzung bemüht war.

Der neue VfL agiert anders. Attackierend, umschaltend, schneller und zielstrebiger. Das, was Hasenhüttl sehen will, deswegen hält er die schützenden Hände über seine Spieler. „So einer Mannschaft verzeihe ich , dass sie in so einem Spiel nichts mitnimmt. Wir haben ein Topspiel gezeigt, die Zuschauer unterhalten.“ Kein Widerspruch.

Gleichwohl ist der Österreicher, anders als Vorgänger Kovac, weit davon entfernt, Dinge schönzureden. Er sieht Probleme, spricht diese an. „In den Schlüsselszenen sind wir nicht scharf genug“, sagte er bei ESPN. Beim 1:1 durch Florian Wirtz lässt Mohammed Amoura den Rückraum völlig außer Acht. Beim 1:2 lässt sich Mattias Svanberg, wenngleich man durchaus hätte Foul pfeifen können, zu einfach von Gegenspieler Wirtz aus dem Spiel nehmen.

Beim 3:3 genügt Piero Hincapie ein Schubserchen, um Sebastiaan Bornauw aus dem Konzept zu bringen. In der Nachspielzeit kann sich Victor Boniface im Strafraum um Konstantinos Koulierakis drehen. „Wir kassieren aktuell zu viele Gegentore“, weiß Hasenhüttl. Neun nach vier Spielen sind es trotz des bislang überzeugenden Torhüters Kamil Grabara schon, nur Kiel (13), Hoffenheim (11) und Augsburg (10) kassierten mehr.

Des Trainers Wunsch: „Eine Führung über die Zeit bringen“

Und am Samstag (15.30 Uhr, LIVE! bei kicker) kommt der VfB Stuttgart, der gerade Borussia Dortmund mit 5:1 aus dem Stadion geschossen hat. Hasenhüttl will auch dem Vizemeister auf Augenhöhe begegnen. „Wir sind schwer zu bespielen, sind ein unangenehmer Gegner“ betont der Coach, der von seiner Mannschaft gleichwohl die nächsten Schritte in der Entwicklung sehen will. „Eine Führung über die Zeit bringen, ein klareres Verhalten, gerade dann, wenn wir unter Druck geraten.“

Sonst gerät der VfL, der zurück nach Europa will, früh in dieser Saison mächtig unter Druck. Und die Fragen würden nicht angenehmer werden für den Trainer.

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