„Monokultur“ in Klub-Führungen: Die vergebliche Suche nach Vielfalt im Profifußball

Frauen sind in den Führungsgremien der Bundesliga und 2. Bundesliga nach wie vor stark unterrepräsentiert, nur vier Klubs haben eine Frau im Top-Management. Auch auf den anderen Entscheidungsebenen gibt es deutlichen Nachholbedarf, wie eine aktuelle Analyse zeigt.

SV Elversberg im Teil-Ranking vor Bayern München

Der erstmals von der gemeinnützigen Organisation FUSSBALL KANN MEHR (FKM) veröffentlichte Jahresbericht „Lage der Liga“ wirft zweifelsohne kein gutes Licht auf die Führungsstrukturen der Bundesliga und 2. Bundesliga. Mit Bayer 04 Leverkusen, SV Darmstadt 98, Holstein Kiel und SV Wehen Wiesbaden haben gleich vier Klubs erst gar nicht an der Umfrage teilgenommen, die FKM im Mai und Juni dieses Jahres durchgeführt hat. Die Gründe für die Enthaltung sind unklar. Fakt ist: Die Top-Management-Ebenen sowie die Kontrollgremien und Aufsichtsräte des Quartetts sind nahezu ausschließlich männerdominiert. Zwei Ausnahmen gibt es immerhin: Ex-Profi und Diplom-Sportökonomin Navina Omilade im Aufsichtsrat von Holstein Kiel und Anne Baumann, die im Präsidium von Darmstadt 98 den Bereich Finanzen verantwortet.

Andersherum: Bei nur vier der 36 Klubs haben Frauen eine Position im Top-Management inne. Unterm Strich stehen nur sechs Frauen bei 84 von FKM abgefragten Positionen. Angesichts dieser mauen Ausbeute sollte Platz genug sein, diese einmal zu nennen. Zum einen wären da Anne-Kathrin Laufmann (seit 2023 Geschäftsführerin Sport & Nachhaltigkeit bei Werder Bremen), Christina Rühl-Hamers (seit 2020 Vorstandsmitglied für die Bereiche Finanzen, Personal und Recht beim FC Schalke 04) sowie Petra Saretz (seit 2020 Vorstand Organisation und Lizenzierung des 1. FC Heidenheim 1846). Zum anderen Luise Gottberg (seit 2024 interimistisch), Hanna Obersteller (seit 2023) und Esin Rager (seit 2021) beim FC St. Pauli, die auf Grundlage der vom Kiez-Klub gelebten Management-Struktur als Vizepräsidentinnen von FKM in dieser Hierarchiestufe erfasst wurden. Unterhalb von Präsident Oke Göttlich ist die zweiköpfige Geschäftsleitung – bestehend aus Wilken Engelbracht (Finanzen) und Andreas Bornemann (Sport) – auch beim FC St. Pauli männlich aufgestellt.

„Von einer paritätischen Besetzung des Top-Managements oder zumindest eines 30-prozentigen Frauenanteils, den beispielsweise der DFB in seiner ,Strategie Frauen im Fußball FF27‘ festgeschrieben hat, ist der deutsche Profifußball aktuell weit entfernt“, erklärt FKM zu den Ergebnissen. Der Bericht zeige zudem, dass nur vier Personen eine andere als die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Im Schnitt sind Menschen im Top-Management eines Bundesliga-Klubs seit mehr als zehn Jahren im Verein tätig, haben ein wirtschaftswissenschaftliches Studium abgeschlossen und stammen aus dem Westen oder Süden Deutschlands.

Filbry: „Noch vieles zu tun, um Parität zu erreichen“

Klaus Filbry, Vorsitzender der Geschäftsführung des SV Werder Bremen, ordnet die Ergebnisse wie folg ein: „Für Werder Bremen ist das klare Bekenntnis zu Diversität ein Erfolgskriterium. Wir wissen, dass Geschlechtergerechtigkeit notwendig ist, um ein zeitgemäßer Arbeitgeber zu sein und dass unterschiedliche Perspektiven bessere Ergebnisse bringen. Unsere Geschäftsführung ist durch die Berufung von Anne-Kathrin Laufmann in vielen Feldern besser geworden.“ Werder habe laut Filbry zudem „noch vieles zu tun, um Parität zu erreichen“. Er sagt: „Die konkrete Zielsetzung 2026 mindestens 25 Prozent Frauen in allen Gremien zu haben, fordert uns den Fokus darauf zu halten und notwendige Maßnahmen zu etablieren.“

Auch wenn es die Sachlage an sich keinen Deut besser macht: Im internationalen Vergleich mit anderen europäischen Top-Fußballligen steht die Bundesliga mit ihren geschlechtlich ungleich verteilten Verhältnissen auf Top-Management-Ebene bei weitem nicht alleine da. Immerhin gibt es punktuell auch hier positive Ausnahmen wie etwa bei Arsenal London, wo Juliet Slot seit Ende 2021 als Chief Commercial Officer fungiert, oder bei Manchester City mit Nuria Tarré, die seit 2015 Chief Marketing Officer der Citizens ist.

SV Elversberg vor Bayern München

Neben dem Top-Management hat FKM auch die direkt darunter liegende Führungsebene analysiert, diese umfasst sogenannte Direct Reports wie beispielsweise Direktoren und Bereichsleiter. Nach Auswertung von in Summe 332 abgefragten Positionen ergibt sich dabei ein Ranking mit der SV Elversberg an der Spitze. Während bei dem saarländischen Zweitligisten der dreiköpfige Vorstand ausschließlich aus Männern besteht, sind vier von acht Direct Reports Frauen.

„Gerade als kleiner Klub ist für uns die Personalauswahl unter Fokussierung auf die fachliche Qualifikation der Bewerber und deren möglichst schnelle Integration in die Organisation von höchster Bedeutung“, sagt Dr. Marc Strauss, Vorstand Verwaltung und Vereinsentwicklung bei der SVE. Vielfältigkeitskriterien hätten hierbei bislang „nicht im Zentrum“ gestanden, „wenngleich wir davon überzeugt sind, dass wir als Klub von einer möglichst diversen Belegschaft in hohem Maße profitieren können“. Insbesondere außerhalb der Direct Reports sieht Strauss „noch viel Potenzial, uns in der Zukunft vielfältiger aufzustellen“.

Dagegen beschäftigen fünf der in der Studie berücksichtigten Erst- und Zweitligisten keine direkt an das Top-Management berichtende weibliche Führungskraft. Die Autoren der Erhebung konstatieren, „dass es bisher keine übergreifende Strategie zur Förderung von Geschlechterdiversität oder gar Parität in den Klubs“ gebe. Es ließen sich „lediglich vereinzelte Ansätze erkennen“ und oft sei „unklar, ob diese systematisch verfolgt oder eher zufällig umgesetzt“ würden.

Göttlich: „Bessere Debattenkultur dank Frauenquote“

Die Studie von FKM hat abseits des Top-Managements und den dazugehörigen Direct Reports in der Bundesliga und 2. Bundesliga noch weitere Hierarchie-Ebenen unter die Lupe genommen. Bei den Kontrollgremien, die für die Besetzung des Top-Managements verantwortlich sind, führt im Ranking der FC St. Pauli – bei den Hamburgern sind sogar mehr Frauen als Männer im Kontrollgremium. Bereits im September 2021 führte der damalige Zweitligist als erster Profiverein eine Frauenquote ein und nahm eine entsprechende Satzungsänderung vor. Demnach sollen Vereinsgremien wie der Aufsichtsrat, das Präsidium, der Ehrenrat und der Wahlausschuss mindestens mit 30 Prozent Frauen besetzt sein.

Im Wissen, dass die Einführung einer Frauenquote auch nicht gänzlich unkritisch gesehen werden kann, ist Präsident Göttlich inzwischen von selbiger überzeugt, wie er jüngst erklärte: „Ich habe auch in meinen Anfangsjahren schon versucht, Frauen in Führungspersonen fürs Präsidium zu gewinnen, aber das war kaum möglich. Es lag, wie ich jetzt für mich im Nachhinein festgestellt habe, auch daran, dass es keine Quote gab. Die von mir angesprochenen Frauen hatten damals nämlich die Sorge, dass sie allein in einem männlich dominierten Gremium seien könnten“, führt der Präsident aus. „Durch die Quote und durch mehr Engagement von Frauen in unseren Ämtern und Gremien ging die Entwicklung auf einmal total schnell, wir haben seitdem eine wirklich verbesserte Zusammenarbeit und Debattenkultur.“

Hinter dem FC St. Pauli liegen gleichauf der SC Freiburg und Eintracht Braunschweig, wo mit Nicole Kumpis seit Frühjahr 2022 eine Frau als Präsidentin ganz oben steht. Kumpis wurde bei den Niedersachsen im Januar 2024 mit 71 Prozent der Stimmen für eine Amtszeit von weiteren drei Jahren wiedergewählt.

Insgesamt waren bei der Abfrage 220 Personen dabei, davon 26 Frauen, was einem Anteil von 11,8 Prozent entspricht. Das Durchschnittsalter der Mitglieder in den Kontrollgremien beträgt 56,9 Jahre und liegt somit etwas mehr als sechs Jahre über dem der operativen Verantwortlichen. 15 Klubs haben gemäß der Erhebungen keine Frau in ihrem Kontrollgremium. Dazu gehört auch der FC Schalke 04, der mit Finanzchefin Christina Rühl-Hamers auf Top-Management-Ebene zwar führend ist, sich in der Besetzung des Kontrollgremiums jedoch ohne Frau bei elf Männern am Ende des Rankings wiederfindet.

„Es geht nicht nur um die oberste Führungsebene“

Nicht bei allen Klubs sind die Aufsichtsräte verantwortlich für die Bestellung und Abberufung des Top-Managements, deshalb wurden die Aufsichtsräte zudem gesondert ausgewertet. RB Leipzig und die TSG Hoffenheim wurden dabei nicht berücksichtigt, da sie laut Selbstauskunft keinen Aufsichtsrat besitzen.

Das Ergebnis: Es gibt prozentual und absolut mehr Frauen in den Kontrollgremien und Aufsichtsräten als im Top-Management der Bundesligisten. Eine ähnliche Situation gab es vor Jahren in den Dax-Unternehmen – auch dort nahm zunächst die Zahl der Frauen in den Aufsichtsräten zu, nicht die in den Vorständen. In den Aufsichtsräten der deutschen Börsenunternehmen sind jedoch inzwischen 37,7 Prozent der Stellen mit Frauen besetzt, in den untersuchten Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga nur deren knapp zwölf Prozent.

Mit Tanja Gönner schaffte es in diesem Jahr beim VfB Stuttgart eine Frau sogar an die Aufsichtsratsspitze – auch wenn sie in dieser Funktion nur als Übergangslösung gilt. Zu den Ergebnissen der vorliegenden Studie sagt Gönner, die ebenfalls Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) ist: „In der Konsequenz geht es nicht nur um die oberste Führungsebene, sondern um Karrierepfade auf dem Weg an die Spitze. Von den sehr konkreten Zielvereinbarungen in Unternehmen, diese Talent-Pipelines zu schaffen, können Bundesligaklubs lernen.“

Fußballbranche steht „deutlich extremer“ als DAX-Unternehmen da

„Der Fußball bildet in seinem Top-Personal eine Monokultur und schöpft dadurch seine Wirkkraft nicht aus“, sagt abschließend Katja Kraus. Die ehemalige HSV-Vorständin und FKM-Beiratsvorsitzende verweist auf verpasste Chancen durch mangelnde Diversität: „Fußball bewegt die Menschen, doch er bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück, solange er die gesellschaftliche Vielfalt nicht auch in den Führungsgremien widerspiegelt. Mit Frauen im Top-Management verbessert sich das Risikomanagement, steigt die Leistungsfähigkeit und erhöht sich die Innovationskraft.“

Der FKM-Jahresbericht „Lage der Liga“ orientiert sich an den jährlichen Berichten der deutsch-schwedischen AllBright-Stiftung, die seit 2016 die Zusammensetzung der Vorstände und Aufsichtsräte der DAX-Gremien analysiert. „Die deutschen Unternehmen liegen im internationalen Vergleich beim Thema Chancengleichheit und Diversität in der Führung schon weit zurück, aber die Fußballbranche steht nochmal deutlich extremer da“, sagt Dr. Wiebke Ankersen, Co-Geschäftsführerin der AllBright-Stiftung. Dass andere schon so viel weiter sind, sei aber auch eine große Chance für den Fußball. „Um voranzukommen, kann man sich Wirtschaftsunternehmen oder auch die Fußballbranche in anderen Ländern ansehen und lernen, was zu tun ist“, sagt Ankersen.

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