Nach der herben 1:5-Niederlage in Stuttgart weht Borussia Dortmund ein herbstlicher Wind ins Gesicht. Um daraus keinen Sturm werden zu lassen, muss der BVB im Derby gegen Bochum eine deutliche Reaktion zeigen. Trainer Nuri Sahin fordert „ein anderes Gesicht“ als gegen den VfB.
Sahin und die Ursachenforschung nach Stuttgart
Handgestoppte 21 Minuten musste sich Nuri Sahin am Mittwoch in der obligatorischen Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen den VfL Bochum (Freitag) den Fragen der Journalisten stellen. „Dauert das nach Niederlagen immer so lange?“, drehte der BVB-Trainer nach seiner letzten Antwort den Spieß um – und präsentierte sich dabei trotz der herben 1:5-Klatsche beim VfB Stuttgart am vergangenen Sonntag freundlich und aufgeschlossen.
Zwei Tage habe das Spiel in den Gliedern gesteckt, gab der junge Chefcoach der Borussia zu. Die „Nicht-Leistung“, wie Sahin den Auftritt in Stuttgart direkt nach dem Schlusspfiff bezeichnet hatte, kam für den 36-jährigen aus dem Nichts. Das Leistungstief hatte sich weder im Training noch in der Kabine angekündigt. In Dortmund ist das kein unbekanntes Phänomen, sondern ein seit Jahren oft beobachtetes. Bei der Ursachenforschung allerdings stehen die Verantwortlichen der Borussia noch immer am Anfang. Egal, ob der Trainer getauscht wird oder die Spieler: Dramatische Einbrüche scheinen seit einiger Zeit zum Klub zu gehören wie die Farben Schwarz und Gelb.
Sahin, zuvor ein halbes Jahr Assistent seines Vorgängers Edin Terzic, war im Sommer angetreten, der personell deutlich aufgerüsteten Mannschaft Konstanz zu vermitteln. In Stuttgart gelang dies nicht. „Da“, sagte Sahin an Mittwoch, „muss man auch nichts schönreden.“ Es habe vielmehr „alles“ gefehlt. Und das nicht nur bei seinen Spielern, sondern auch bei ihm selbst. „Ich war auch nicht in meiner Bestform. Da nehme ich mich nicht raus“, sagte er bemerkenswert selbstkritisch.
Umso wichtiger dürfte die nun folgende Reaktion gegen Bochum sein. Für die Mannschaft. Den Klub. Nicht zuletzt auch für Sahin selbst, der bei seinem Amtsantritt um „Zeit und Geduld“ bat – wohlwissend, dass beides im knallharten Profigeschäft so gut wie nie vorhanden ist. Weder bei den Klubs noch bei den Fans. Man muss jetzt nicht „alles in Schutt und Asche“ reden, wie Sportdirektor Sebastian Kehl bei aller Kritik, die auch er hervorbrachte, korrekterweise anmerkte. Aber die anfängliche Euphorie, die Sahin auslöste, sie ist erst einmal dahin – und kann nur durch überzeugende Siege zurückgewonnen werden.
„Wir bauen hier kein Kartenhaus.“ (Nuri Sahin)
„Wir können das Spiel in Stuttgart nicht zurückholen. Aber wir zeigen am Freitag hoffentlich ein anderes Gesicht und gewinnen“, sagte Sahin, zu dessen Lieblingsvokabeln das Wort „Prozess“ gehört. Zu jedem Prozess gehören Rückschritte. Sie sind ein Stück weit eingepreist – wenn auch nicht in dem Maße, wie es dem BVB in Stuttgart widerfahren ist.
Weshalb Sahin noch relativ entspannt auf den aktuellen Entwicklungsstand blickt: „Wir bauen hier kein Kartenhaus“, sagte er am Mittwoch. „Es ist nicht so, dass wir nach einer Niederlage alles kaputtmachen und neu anfangen. Wir müssen den Weg weitergehen. Auch wenn der Wind jetzt anders weht. Dem müssen wir Stand halten und unsere Lehren aus dem Spiel ziehen.“
Top-Joker Gittens drängt in die Startelf
Welche konkreten Lehren das sein könnten, wollte Sahin am Mittwoch nicht öffentlich benennen. Am naheliegendsten sind personelle Anpassungen – zumal der BVB-Trainer in der Vorbereitung immer wieder betonte, dass jeder, der die Basics nicht abliefere, sich auf der Bank wiederfinden würde. Bei konsequenter Auslegung allerdings dürfte Sahin Probleme bekommen, am Freitag überhaupt auf elf Spieler zu kommen, überzeugten in Stuttgart doch eigentlich nur Keeper Gregor Kobel und Top-Joker Jamie Gittens, dessen Platz in der Startelf als gesichert gilt.
Viel wird darüber hinaus abhängen, in welcher Formation Sahin seine Mannschaft gegen Bochum aufs Feld schickt. Die Rufe im Umfeld werden lauter, sich auf eine feste Basis zu konzentrieren und die Spieler – etwa Nico Schlotterbeck und Marcel Sabitzer – positionsgetreu einzusetzen.
Ob Sahin ihnen folgt, steht dagegen auf einem anderen Blatt. Er gilt als mutig, durchsetzungsstark und als ein Mann mit klaren Ideen und Prinzipien. Das sorgte zuletzt dafür, dass Julien Duranville und Maximilian Beier nicht zum Einsatz kamen, obwohl der Trainer prinzipiell große Stücke auf beide setzt und sie im Training durchaus überzeugen. In den Spielen in Brügge (3:0) und in Stuttgart hatte Sahin dann andere Pläne – zum Leidwesen der beiden Youngster.
Unstrittig ist, dass gegen Bochum eine andere Aufgabe zukommt als zuvor in Stuttgart. Umso mehr wird es erneut auf die berühmten Basics ankommen – und darauf, wie der qualitativ deutlich bessere Favorit aus Dortmund sie umsetzt. „Ich habe eine sehr selbstkritische Reaktion der Mannschaft gesehen. Aber nur mit reden werden wir nicht erfolgreich sein“, sagte Sahin mit Blick auf das Derby gegen den VfL: „Wir sind alle in der Pflicht, den Ansprüchen gerecht zu werden, die dieser Verein hat. Daran müssen wir uns messen lassen.“
Das Heimspiel gegen den VfL, der in dieser Saison noch kein Spiel gewinnen konnte, dürfe laut Sahin daher nur in eine Richtung gehen – in die des BVB: „Meine Aufgabe ist es, dass wir das Spiel gewinnen. Darauf stelle ich meine Mannschaft ein. Wir wollen die drei Punkte.“ Alles andere dürfte den aufgezogenen Herbstwind auch nur noch stärker wehen lassen.