Die Eintracht musste in Istanbul durchs Feuer gehen – und meisterte diese Prüfung beim 3:1 gegen Besiktas mit Bravour. Spieler und Trainer stiegen am Freitag voller Stolz in den Flieger zurück nach Frankfurt. Dort will die Mannschaft mit der Euphorie und den eigenen Anhängern im Rücken auch den FC Bayern abermals aufs Kreuz legen.
Im Hexenkessel gesiegt: Ein „großer Schritt“ in einem „geilen Stadion“
Aus Istanbul berichtet Julian Franzke
Auch für Dino Toppmöller war die Partie in Istanbul ein außergewöhnliches Spiel. Angesichts der überwiegend enttäuschenden Auftritte in der Conference League 2023/24 ist der 3:1-Erfolg gegen Besiktas wie ein Befreiungsschlag – für die Eintracht und den Coach.
„Das haben wir als Team bravourös gemacht.“ (Dino Toppmöller)
„Das ist schon ein sehr besonderer Sieg. Das war international bislang unser schwierigster Gegner, unsere größte Challenge. Wir haben gegen einen Gegner mit einer sehr hohen fußballerischen Qualität bestanden. Das haben wir als Team bravourös gemacht“, spart der Trainer nicht mit Lob. Er betont: „Das war eine sehr reife Leistung und ein sehr, sehr großer Schritt für diese junge Mannschaft. Es ging nicht nur um die drei Punkte, sondern auch darum, hier in diesem Stadion zu bestehen. Das ist schon eine tolle Leistung, auf die wir stolz sind. Das war ein rundum gelungener Abend.“
Toppmöller hatte schon zur Halbzeit „Ohrensausen“
Die 35.505 Zuschauer auf den steilen Rängen machten Lärm wie 70.000, so als hätte jeder Fan zwei Lungen zum Brüllen gehabt. Ein Kompliment, das auch an die etwa 2500 Eintracht-Fans im Gästeblock geht. „Das ist ein geiles Stadion mit einer geilen Stimmung. Es war sehr laut“, schwärmt Verteidiger Rasmus Kristensen, „aber wir haben so gut gespielt, dass es hier nicht so brannte.“ Sportvorstand Markus Krösche ergänzt: „Die Fans sind sehr laut, feiern die ganze Zeit und unterstützen ihre Mannschaft. Das war schon eine besondere Atmosphäre. Das hat man nicht so oft in einem Stadion, selbst in Europa nicht.“ Toppmöller verrät, schon zur Halbzeit „Ohrensausen“ gehabt zu haben, „weil es echt sehr, sehr laut war“.
In den Stunden vor dem Anpfiff war vor dem Stadion zu beobachten, wie schon Kleinkinder für Besiktas sozialisiert werden. Man könnte auch sagen: rekrutiert. Ein kleiner Junge, drei oder vier Jahre alt, wehrt sich mit Leibeskräften und schreit, als er von den Erwachsenen mit seinem Kopf neben eine laute Trommel gehalten wird. Ein anderer Bub, kaum älter, wird gezwungen, ein Bengalo in der Hand zu halten. Die werden vor der Arena alle paar Meter zusammen mit Fanschals verkauft. So wie in Deutschland das Dosenbier.
Eintracht zieht zusätzliche Energie aus dem Fanmarsch
Doch die Eintracht ließ sich von der feurigen Atmosphäre nicht verunsichern. „Wir haben als Team sehr gut funktioniert“, bekräftigt Toppmöller. Auch Ansgar Knauff hebt den Teamgeist hervor: „Die Entwicklung in der Mannschaft ist sehr gut. Wir haben einen sehr guten Spirit und sind gut drauf. Das merkt man in den Spielen und im Training. Da ist schon etwas zusammengewachsen, auch über die Vorbereitung und die längere Zeit, die wir mit dem größeren Teil des Teams zusammen sind. Wir sind auf einem sehr guten Weg.“
Auch die Eintracht-Fans trugen ihren Teil dazu bei, dass die Mannschaft über sich hinauswuchs. „Der Fanmarsch lief bei uns am Balkon vorbei, als wir gerade gegessen haben“, erzählt Toppmöller. „Das hat uns schon nochmal eine sehr gute Energie gegeben. Wenn die Jungs die Liebe der Fans spüren, ist das immer etwas Besonderes. Ich glaube, dass sie sich das auch verdient haben. Im Gegenzug wollen wir natürlich auch unsere Supporter stolz machen.“
Torhüter Kaua Santos rettet Frankfurt
Im Spiel waren die ersten beiden Tore von entscheidender Bedeutung. „Mit dem Doppelschlag haben wir dem Stadion ein bisschen den Stecker gezogen“, sagt Krösche. Toppmöller meint: „Wir haben die Tore zum richtigen Zeitpunkt gemacht.“ Im eigenen Tor wiederum zeigte Kaua Santos bis zu seinem Fehler kurz vor Schluss eine Weltklasse-Leistung. Kristensen schwärmt: „Das war eine wahnsinnige Partie. Er war der Spieler des Spiels, was für eine Leistung! Er hat uns gerettet.“
Doch bei allem Lob, wissen auch die Verantwortlichen, dass es noch immer Verbesserungspotenzial gibt. „Wir haben noch viele Themen, an denen wir arbeiten müssen“, sagt Krösche. Der Ballbesitzanteil lag bei 35 Prozent, die Passquote bei 72 Prozent. Das ist ausbaufähig. „Es ist ein Lernprozess, dass wir Situationen gezielter klären und über den Ballbesitz versuchen, wieder ein bisschen Ruhe und Kontrolle zu bekommen“, analysiert der Sportvorstand. Auch den einen oder anderen Konter hätte man besser ausspielen können, um früher das dritte Tor zu erzielen.
Krösche gibt aber auch zu bedenken: „Das ist Jammern auf hohem Niveau. Besiktas hat bisher eine sehr gute Runde gespielt und im Supercup Galatasaray geschlagen (5:0, Anm. d. Red.). Das ist also eine richtig gute Mannschaft. Gerade in diesem Stadion ist es nicht ganz so einfach, immer die Kontrolle zu bekommen.“
Toppmöller freut sich auf Top-Spiel und will „Bayern Paroli bieten“
Auch am Sonntag gegen die Bayern wird die Eintracht weniger Ballbesitz haben, dafür aber eine umso breitere Brust. Nach vier Bundesliga-Siegen in Serie sorgt der Dreier in Istanbul für noch mehr Selbstbewusstsein. „Das ist schon ein Mega-Sieg, den müssen wir genießen. Und dann sind wir bereit für ein Top-Spiel gegen einen der besten Vereine der Welt. Am Sonntag müssen wir noch schärfer sein und es vielleicht noch besser machen. Wir wissen genau, wie viel Qualität Bayern hat, aber wir freuen uns auf dieses Spiel in unserem Stadion“, betont Kristensen.
Toppmöller teilt die Begeisterung, freut sich über die „Euphorie im Umfeld“ und blickt voller Selbstbewusstsein auf das Verfolgerduell: „Mit unseren Fans im Rücken können wir auch den Bayern Paroli bieten. Allerdings wissen wir, dass das nochmal eine ganz andere Hausnummer ist und eine brutale Qualität auf uns zukommt.“ Für eine zusätzliche Motivationsspritze könnte ein Blick auf das Duell in der vergangenen Saison sorgen: Da schoss die Eintracht den FC Bayern mit 5:1 aus dem Stadion.