Mit einer selbstbewussten, teils emotionalen, aber auch selbstkritischen Rede hat Hans-Joachim Watzke auf der Aktionärsversammlung der Borussia Dortmund GmbH und Co. KGaA Abschied von den Aktionären genommen – und wurde danach mit stehendem Applaus gefeiert.
BVB-Boss hält Abschiedsrede
Es waren zwei Minuten, die Hans-Joachim Watzke nahegingen, auch wenn er das laut eigener Aussage nicht so gut zeigen konnte: Mit stehendem Applaus wurde der Vorsitzende der BVB-Geschäftsführung auf der Aktionärsversammlung der Borussia Dortmund GmbH und Co. KGaA nach seiner letzten Rede vor diesem Plenum verabschiedet.
Sehnsucht nach Konstanz und Kontinuität: Dortmunds Führung im Wandel (k+)
Ende 2025 läuft der Vertrag des 65-Jährigen aus. Grund genug für Watzke, in einer rund 24 Minuten dauernden Rede Bilanz zu ziehen. Der BVB-Boss tat dies selbstbewusst, teils aber auch emotional – und durchaus selbstkritisch. Zudem formulierte er einen Appell, den er bereits am Vortag auf der Mitgliedersammlung des e. V. geäußert hatte.
Watzke moniert: Ungeduld und Meckerei statt Solidarität
„Wir haben vergessen, dass die Überschrift über Borussia Dortmund schon immer Solidarität war. Das war schon so, als ich im Mai 1966 mein erstes Spiel des BVB gegen 1860 München gesehen habe“, sagte Watzke. Das aber sei zuletzt „ein bisschen“ verloren gegangen: „Die Überschrift lautete vielmehr: Ungeduld und Meckerei“, monierte der BVB-Geschäfsführer. „Aber dazu ist kein Anlass. Die allerallermeisten Klubs in Deutschland würden sich die Hände danach lecken, Borussia Dortmund zu sein.“ Das Wichtigste sei daher, dass wieder Geduld einziehe rund um Borussia Dortmund – und man den handelnden Personen mehr Zeit einräume.
„Ich als Borusse bin stolz darauf, dass wir einen Cheftrainer und einen Sport-Geschäftsführer haben, die aus der eigenen Akademie kommen. Nimmt man Sportdirektor Sebastian Kehl, der seit 23 Jahren im Klub ist, noch dazu, haben die drei mehr Titel geholt als es der Rest von NRW im ganzen Leben tut“, konterte Watzke der Kritik an zu viel Stallgeruch und zu wenig externen Einflüssen. Man müsse wieder zurück zu den Wurzeln. „Dann werden wir mit dem Personal, das wir haben, die nächsten Erfolge haben. Dafür braucht es Geduld und eine gute Atmosphäre – nur dann können gute Dinge wachsen.“
„Ich bin mit ganz anderen Erwartungen gestartet“
In einer Rückschau auf seine 20-jährige Amtszeit scherzte Watzke zunächst, er habe bei seiner ersten Rede auf einer Aktionärsversammlung des BVB „deutlich mehr Haare und deutlich weniger Falten gehabt“. 20 Jahre in verantwortlicher Position – „das zehrt, aber es waren außergewöhnliche Jahre“, sagte Watzke. „Ich hätte mir das nicht erträumt. Ich bin vor 20 Jahren mit ganz anderen Erwartungen gestartet.“
Sportlich wie wirtschaftlich entwickelte sich der BVB unter Watzkes Führung stark weiter – und durchbrach im abgelaufenen Geschäftsjahr erstmals die 500-Millionen-Euro-Umsatzmarke. Die Mitarbeiterzahl stieg von 140 auf 1050. Selbst Corona habe die Entwicklung nicht beenden können: „Niemand wusste damals irgendwas – aber wir haben das zusammen durchgestanden“, sagte Watzke und sagte an die Aktionäre gerichtet: „Wir müssen 150 Millionen Euro wieder aufholen, die wir damals verloren haben. Wir sind auf einem guten Weg, aber natürlich hat das weh getan.“
Watzke entschuldigt sich bei den Aktionären: „Es tut mir leid“
Sportlich steht der BVB auf Rang 2 der ewigen Bundesligatabelle – und machte damit in Watzkes bisheriger Amtszeit drei Plätze gut. Im UEFA-Ranking der vergangenen fünf Jahre ist die Borussia auf Rang sieben gelistet – obwohl Dortmund nicht gerade der perfekte Standort sei: „Dortmund ist die Stadt, die wir alle lieben. Aber sie bewegt nicht die Welt“, sagte Watzke.
Immer habe sich das Handeln der Verantwortlichen daran orientiert, „zu versuchen, den sportlich maximalen Erfolg zu erzielen, ohne dafür die wirtschaftliche Stabilität aufzugeben. Dass wir es dennoch geschafft haben, dorthin aufzusteigen und dort auch seit zehn Jahren zu bleiben, obwohl wir erhebliche Wettbewerbsnachteile haben, ist eine großartige Leistung“, bilanzierte Watzke, ehe er selbstkritisch einräumte, ein selbstgesetztes Ziel nicht erreicht zu haben.
„Wir waren viele Jahre lang auf einem hervorragenden Weg, was den Kurs der Aktie betrifft. In der Woche, bevor wir wegen der Corona-Pandemie den Spielbetrieb pausieren mussten, lag die Aktie bei 9,49 Euro“, sagte Watzke. Während der Pandemie allerdings sank der Kurs deutlich ab und steht heute bei 3,24 Euro (Stand: Montag, 25.11., 13 Uhr). Das treibe ihn persönlich um. „Ich verstehe ehrlicherweise nicht, warum die Menschen da draußen es nicht honorieren.“ Der Kurs stehe gegenüber „der Dinge, die Borussia Dortmund schuldenfrei besitzt, im größten Missverhältnis“. Dies nicht reparieren zu können, „das tut mir leid“, schloss Watzke seine Rede ab.
Zorc soll in den Aufsichtsrat gewählt werden
Bereits zu Beginn seiner Ausführungen war der BVB-Boss auf die Debatte um den Sponsorenvertrag mit dem Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall eingegangen, die am Sonntag die Mitgliederversammlung des eingetragenen Vereins dominiert hatte. Am Ende der siebenstündigen Veranstaltung stand der – nicht bindende – Beschluss, die Partnerschaft zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden.
Watzke lobte vor den Aktionären den respektvollen Umgang miteinander – trotz teils sehr konträrer Meinungen. „Das war vorbildlich“, sagte Watzke und kündigte an, ein Meinungsbild unter allen aktuell 218.000 Mitgliedern zur umstrittenen Partnerschaft mit Rheinmetall einholen zu wollen. „Ich bin Demokrat. Ich akzeptiere das Ergebnis von gestern. Aber wir brauchen valide Aussagen darüber, wie die Mehrheit der Mitglieder darüber denkt“, sagte Watzke.
Auch auf der noch laufenden Aktionärsversammlung könnte die Partnerschaft noch zum Thema werden. Zunächst jedoch stehen personelle Neubesetzungen an. So soll unter anderem der frühere BVB-Profi und spätere Sportdirektor Michael Zorc neu in den Aufsichtsrat gewählt werden.