Der Start ins Jahr 2021 findet ohne rauschende Party statt. Deutschland ist gefangen in Corona-Verordnungen. Die gelten auch, als es knapp zwei Wochen nach Silvester in Kiel so richtig knallt: Zweitligist Holstein schmeißt die Bayern aus dem Pokal. Ein Erfahrungsbericht.
Erinnerungen an ein kaltes Pokalspiel
Der 13. Januar ist eisig. An der Förde und im zugigen Holstein-Stadion kriecht die Kälte grundsätzlich immer noch ein wenig mehr in die Körper. Erst Recht, wenn es fast menschenleer ist wie an diesem Mittwochabend. Unten auf dem Rasen sind die Protagonisten, oben auf der Tribüne ein gutes Dutzend Medienvertreter und in der Reihe davor die Offiziellen.
Holstein-Präsident Steffen Schneekloth sitzt, dick eingepackt und mit dem geforderten Sicherheitsabstand von einem Platz und einer Stuhlreihe, bei Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Die Bayern-Bosse zittern erst vor Kälte. Und dann um das Weiterkommen, das eigentlich früh gesichert zu sein scheint.
Serge Gnabry trifft als Mittelstürmer aus einer Abseitsposition heraus früh zum 0:1 – in der 2. Runde gibt es noch keinen Video-Assistenten. Nachdem Holstein-Routinier Fin Bartels noch vor der Pause ausgeglichen hat, stellt Leroy Sané unmittelbar danach per Freistoß erneut die Weichen. Scheinbar.
In einem vollen Stadion hätte das 2:2 Ekstase ausgelöst
Kiel ist danach bemüht, aber selten nah dran am Torerfolg. Als kurz vor Schluss auch noch das Schneetreiben einsetzt, verkriechen sich Rummenigge und Hoeneß regelrecht unter ihren Mützen und Decken auf der fast menschenleeren Haupttribüne. Und selbst Reporter, die angesichts des knappen Spielstandes womöglich nach einer Sensation lechzen würden, sehnen das Ende herbei.
An einem Abend, an dem keiner mehr draußen sein darf, wollen jene, die es sind, nur noch nach drinnen – nur die Störche nicht. Weil Joshua Kimmich in der letzten Minute der regulären und dreiminütigen Nachspielzeit lange behandelt wird, gibt es nochmal 60 Sekunden Nachschlag. Und den nutzt Hauke Wahl.
Komenda: So wurde Bartels der Kieler Held gegen Bayern
In einem vollen Stadion hätte sein 2:2 Ekstase ausgelöst. Jetzt jubeln die in schwarzen Pokal-Sondertrikots gekleideten Kieler mit einer Mischung aus Ausgelassenheit und Ungläubigkeit, kurz danach herrscht wieder Stille. Und Zittern.
Hinter der Haupttribüne sind die ersten Hupen zu hören
Der Pokalabend bleibt in jeder Hinsicht surreal. Als die Holstein-Profis Ahmet Arslan und Jae-Sung Lee ihre Elfmeter schießen wollen, wird der Ball jeweils von einer Windböe erfasst, doch die Kieler sind sturmerprobt. Nachdem beide Teams ihre ersten fünf Schüsse verwandelt haben, packt KSV-Keeper Ioannis Gelios gegen Marc Roca zu, im Anschluss verwandelt Bartels, rennt zu seinem Torwart und zu der Stehtribüne, auf der sonst die eingefleischtesten Fans stehen.
Kiels Spieler feiern vor leeren Rängen, immer noch mit einer Mischung aus Ausgelassenheit und Ungläubigkeit, von der Bank stürzen sich die Betreuer und Ärzte mit Masken auf den Gesichtern auf die Spielertraube. Wie seit Jahren schon und bis heute üblich ertönt dann die Holstein-Hymne: „Keine andere Stadt, keine andere Liebe!“ Obwohl keiner da ist, der mitsingt, ist es kein Moment für Sicherheitsabstand, sondern einer für Gänsehaut.
Als die Hymne verstummt, wird es langsam wieder laut. Hinter der Haupttribüne sind die ersten Hupen zu hören. In der Corona-Zeit läuft nicht viel – der Autokorso in Kiel in der Nacht des 13. Januar 2021 schon.