Von einem Fehlstart zu sprechen, wäre verfrüht. Dennoch steht die TSG Hoffenheim schon jetzt unter Zugzwang. Das hat auch mit der Europa League und den internen Ränkespielen zu tun. Eine Analyse.
Ränkespiele erschweren dem Trainer die Arbeit
Pellegrino Matarazzo ist ein analytischer Typ. Kein Wunder, der Trainer der TSG hat einst Mathematik studiert, eher ungewöhnlich für einen Profi-Fußballtrainer. Nach drei Punkten aus drei Spielen und den jüngsten Störgeräuschen im Kraichgau weiß der 46-Jährige sehr genau: Folgen am Samstag beim 1.FC Union und die Woche darauf gegen Werder Bremen keine Punkte, wird es ungemütlich für ihn.
Noch ist es kein Fehlstart, aber …
Von einem Fehlstart in die aktuelle Spielzeit zu sprechen, wäre nach dem 1:4 gegen Bayer Leverkusen, der zweiten Niederlage am dritten Spieltag, verfrüht. Denn bei Eintracht Frankfurt, wie am zweiten Spieltag geschehen, kann man als TSG Hoffenheim durchaus verlieren, selbstredend auch gegen Double-Sieger Bayer. Die Pflichtaufgaben gegen Holstein Kiel und im DFB-Pokal bei Kickers Würzburg wurden – wenngleich nicht vollends überzeugend – erfüllt.
Nun muss Matarazzo dringend punkten. Nicht zuletzt, weil nach der Aufgabe in Berlin die Europa League mit dem Gastspiel beim FC Mitdjylland beginnt und damit die englischen Wochen. Viel Zeit für intensive Trainingsarbeit bleibt dem Team im dann folgenden Rhythmus mit Pflichtspielen unter der Woche nicht mehr.
„Entlassung war sicher nicht vorteilhaft“, sagt Grillitsch
Darauf hatte Matarazzo selbst hingewiesen. Der Trainer ist gewissermaßen schon jetzt Opfer der Freistellung von Sportgeschäftsführer Alexander Rosen mitten in der Transferperiode. Durch die offenkundige Entzweiung zwischen Gesellschaftern und Rosen passierte lange nichts im Hoffenheimer Kader, auch danach tat sich die neue Leitung – formal firmiert Frank Kramer interimistisch als Sportchef – schwer. Deals mit Armel Bella-Kotchap oder Etienne Youte Kinkoue platzten im letzten Moment.
„Die Entlassung der Geschäftsführung war sicher nicht vorteilhaft für uns“, sprach Führungsspieler Florian Grillitsch die Probleme an im einst idyllischen Kraichgau, das längst zum Pulverfass geworden ist und wo keiner so recht beantworten kann, über welchen Einfluss Kapitalgeber Dietmar Hopp trotz der Rückgabe seiner Stimmenmehrheit im Sinne der 50+1-Regel und dessen Freund, der Spielerberater Roger Wittmann, noch verfügen. „Wir als Mannschaft haben am meisten darunter gelitten, weil alles sehr unruhig war“, schildert Grillitsch die skurrile Situation um die Rosen-Entlassung während der wichtigsten Phase der Vorbereitung, dem Trainingslager. „Wir wussten nicht, welche Spieler kommen und wann.“
Kein wirkliches Muster: Chaves-Transfer passt ins Bild
Tatsächlich kamen die meisten Neuzugänge sehr spät, ein richtiges Muster war nicht wirklich zu erkennen in der Transferpolitik. Dass am Ende auch noch mit Arthur Chaves ein Verteidiger kam vom portugiesischen Zweitligisten Academico de Viseu, passt ins Bild. Diesen Klub hatte Hopp einst übernommen, kurz nach dem Kauf tauchten dort plötzlich vermehrt Talente von Wittmanns Agentur Rogon auf.
Überhaupt Chaves: Der 23-Jährige mag ein talentierter Defensivspezialist sein. Doch sechs Millionen Euro für einen Kicker aus Portugals Unterhaus? Ob Chaves dieses Geld wirklich wert ist, muss der Brasilianer erst noch beweisen. Auffällig: Trotz der vergleichsweise hohen Transfersumme ist die Vermittlerprovision erstaunlich niedrig.
Die Abwehr schwamm schon unter Hoeneß und Breitenreiter
Kicker-Recherchen zufolge flossen lediglich 207.000 Euro an eine Agentur aus Brasilien, die formal den Spieler und Viseu in dem Deal vertreten hat. Die Firma soll aber dem Vernehmen nach ein gutes Verhältnis zu Rogon haben. 207.000 Euro? Das sind lediglich 3,45 Prozent der Transfersumme. Ungewöhnlich wenig, branchenüblich sind 10 bis 12 Prozent.
Sei es wie es sei, eine Soforthilfe scheint Chaves nicht, doch genau die hätte die Hoffenheimer Defensive nötig. Das ist allerdings nicht erst seit gestern bekannt. Die Abwehr schwimmt seit Jahren. Das hat nichts mit Matarazzo zu tun, das war auch schon unter Sebastian Hoeneß und André Breitenreiter und ja, auch mit dem Sportchef Rosen, augenscheinlich. Nun muss sich Matarazzo dafür verantworten. Das kann in eine gefährliche Richtung gehen für den Coach.