Wenn der 1. FSV Mainz 05 seine Mitglieder am Sonntag zur Versammlung bittet, dürfte die Wahl der acht Aufsichtsräte für heftige Debatten sorgen. Auf den ersten Blick steckt dahinter die vermeintliche Ausbootung dreier amtierender Kontrolleure. Auf den zweiten Blick stellt sich die Frage, ob nicht die Ultras diese für ihr Ringen um mehr Einfluss nutzen?
Vor der Aufsichtsratswahl beim FSV
Es war ein Banner in der Kurve, das die lokale Allgemeine Zeitung (AZ) als Einstieg in ihre Berichterstattung zur Entscheidung der Wahlkommission nahm, drei aktuelle Räte nicht wieder zu nominieren: „Wer nicht mitschwimmt, wird aussortiert! Wahlkommission bestimmt über die Zukunft von Mainz 05?“ stand auf einem Transparent, das die organisierten Fans beim 0:0 in Freiburg aufgehängt hatten.
Acht Kontrolleure sind zu wählen, drei amtierende nicht zugelassen
Wenige Tage zuvor hatte jene Kommission – satzungsgemäß – die Zahl der Bewerber um einen Platz im Rat auf 16 reduziert. Acht Kontrolleure hat die MV an diesem Sonntag zu wählen, zudem auch noch den konkurrenzlosen Stefan Hofmann im Amt als Vereinschef zu bestätigen. Dass drei amtierende Räte durch das Raster der Kommission fielen, nahm die Zeitung nun zum Anlass zu spekulieren: „Spielt der Streit um den DFL-Investor eine Rolle?“
Sowieso ein Aufreger war das Thema, bundesweit und eben auch im beschaulichen Mainz, wo man einen angeblichen Konflikt zwischen Rat und Vorstand in der Sache offenkundig noch einmal aufwärmen wollte angesichts der Nichtnominierung beispielsweise von Prof. Dr. Carsten Kühl, immerhin ehemaliger rheinlandpfälzischer Finanzminister.
Kühl unterstellt einen Zusammenhang mit dem Liga-Investor
Der dann auch just via AZ-Interview verkündete: „Ich finde, es gibt eine Auffälligkeit, wenn man sich anschaut, welche drei Leute jetzt nicht nominiert worden sind. Wir hatten ja in bestimmten Fragen der strategischen Ausrichtung, wie zum Beispiel in der Frage des DFL-Investors, eine andere Meinung als andere im Verein.“ Und weiter, ganz selbstlos: „Ich sag mal: Hätte die Kommission nur einen von uns, von mir aus mich, rausgenommen, wäre das Ganze nicht so dramatisiert worden. Aber wenn man drei Leute rausnimmt und die drei Leute eine Gemeinsamkeit haben, die zum Emotionalisieren geeignet ist, dann ist es unglücklich.“
Drei Räte, eine Gemeinsamkeit? Kühl sollte eigentlich bekannt sein, dass es damals in dem Gremium „acht zu eins“ gegen den Investor hieß. Nach seiner Logik also hätte die Wahlkommission dann lediglich einen amtierenden Rat zulassen dürfen. Der Sprecher der Wahlkommission, Prof. Dr. Lars Leuschner, jedenfalls stritt ab, dass die Nichtzulassung von Bewerbern etwas mit der Einstellung zu Liga-Investor oder Ausgliederung zu tun gehabt habe – ebenfalls ein heiß diskutiertes Thema bei einem der wenigen in der Bundesliga noch als e.V. amtierenden Klubs wie Mainz 05.
Der neue Rat muss wohl die Heidel-Nachfolge regeln
Ins gleiche Horn wie Kühl stieß nun der ebenfalls nicht mehr nominierte Kontrolleur Sven Hieronymus. „Das Ganze hat irgendwie Geschmäckle, gerade weil wir drei ja gegen das DFL-Projekt gestimmt haben“, sagte der Comedian der AZ und behauptete, dass man sich in dem Gespräch mit der Wahlkommission „25 Minuten lang über eine Ausgliederung und das Investoren-Aus bei der DFL unterhalten“ habe. Was andere Bewerber komplett anders darstellen.
Für die Rheinhessen ist der Rat, der nun gewählt wird, enorm richtungsweisend. Drei Jahre sind die Kontrolleure im Amt und viele gehen davon aus, dass dieses am Sonntag zu wählende Gremium neben wegweisenden Fragen etwa zum Thema Stadionkauf wohl auch die Auswahl treffen muss, wer auf Christian Heidel folgt. Ohne den 61-Jährigen stünde der Klub nicht da, wo er ist. Nach wie vor gilt der im Vorstand für Sport und Kommunikation zuständige Heidel als die prägende Figur im Klub. Und da neben den drei „Aussortierten“ mehrere amtierende Räte nicht mehr kandidieren, existiert die nicht ganz unberechtigte Sorge, dass beim FSV künftig ein Gremium mit extrem wenig Erfahrung im Profifußball kontrolliert. Was Kühl und Hieronymus ebenso berechtigterweise ins Feld führen.
Besondere Pointe: Der nicht zugelassene Schneider ist Fan-Kolumnist
Doch geht es wirklich nur im Kühl, Hieronymus und Co.? Die Frage stellt sich, denn es gibt eine Besonderheit im Aufsichtsrat von Mainz 05. Acht Kontrolleure muss die MV wählen. Ein neunter Rat wird als Vertreter der Fanabteilung von dieser nominiert und muss lediglich von der MV bestätigt werden, was als Formsache gilt. Aktuell handelt es sich dabei um den aus der Ultraszene kommenden Christian Viering, der es 2023 in Mainz als OB-Kandidat für die Grünen bis in die Stichwahl schaffte und nicht mehr antreten wird. Als seinen Nachfolger wird die Fanabteilung Simon Ahr vorschlagen.
Genug scheint dieser eine Sitz den organisierten Fans jedoch nicht, schickte sich doch mit dem 1. Vorsitzenden der Supporters Mainz, Sebastian Schneider, ein weiterer Vertreter mit Ultranähe an, über den „normalen“ Bewerberweg für das Gremium zu kandidieren. Doch wie Kühl und Co. scheiterte auch Schneider an der Wahlkommission. Dass die Auswahl der Kommission bei der AZ in der Kritik steht, hat vor dem Hintergrund der Personalie Schneider eine besondere Pointe: Das Blatt verfügt seit geraumer Zeit über drei Fan-Kolumnisten. Einer davon ist der nicht zugelassene Schneider – das aber war der AZ keinerlei Erwähnung wert.
Suchen die Ultras den Schulterschluss mit den „Normalos“?
Im Hintergrund soll es Gedankenspiele geben, mit Anträgen am Sonntag die Vor-Auswahl der Wahlkommission zu kippen. Was weitere Mitgliederversammlungen nötig machen würde, um einen handlungsfähigen Aufsichtsrat einzusetzen. Dazu kommt ein populistisch wirkender Antrag der Ultras, den Vorstand per Votum dazu zu bewegen, sich für die Abschaffung des bei den meisten Anhängern – egal ob Teil der Szene oder nicht – ungeliebten Video-Assistenten zu engagieren. Der Ablauf der Ereignisse erweckt den Eindruck, dass die organisierten Fans den Schulterschluss mit möglichst vielen „Normalos“ suchen, um die Aufsichtsratswahl zu blockieren. Die MV in Mainz jedenfalls verspricht Spannung.