Insgesamt fünfmal traf der VfB Stuttgart am Sonntag in Bremen, doch das erste Tor zählte nach VAR-Eingriff nicht. Hatte der DFB dabei die richtige Abseitslinie gezogen?
Warum der VAR Pieper nicht „vergaß“
Mit einem Doppelschlag stellte der VfB Stuttgart am Sonntag in Bremen kurz vor der Pause die Weichen auf Auswärtssieg. Doch hätte er eigentlich schon früher in Führung liegen müssen? Bereits in der 23. Minute hatte Deniz Undav Mio Backhaus im Werder-Tor nach perfektem Steilpass von Angelo Stiller per Lupfer überwunden. Dass der Treffer nach einem rund 80-sekündigen VAR-Check wegen einer knappen Abseitsstellung des Torschützen aberkannt wurde, warf mehrere Fragen auf.
Der eingeblendeten Grafik zufolge war Undavs Schulter im Moment von Stillers Zuspiels einen Tick näher am gegnerischen Tor als die von Karim Coulibaly. „Es fällt mir sehr schwer, da irgendwas zu erkennen“, sprach VfB-Coach Sebastian Hoeneß später bei DAZN aus, was sich auch mancher TV-Zuschauer gedacht haben dürfte. „Ich konnte es nicht richtig erkennen – bis jetzt nicht.“
Außerdem legte das Standbild zunächst nahe, dass womöglich gar nicht Coulibaly der entscheidende Bremer in dieser Situation war, sondern Amos Pieper. Dessen Fußspitze, so der erste Eindruck, schien mindestens auf gleicher Höhe mit Undav positioniert zu sein. „Wo wird da bei Werder die Linie angesetzt? Unklar“, wunderte sich auch Hoeneß.
Am Montag bemühte sich der DFB auf kicker-Nachfrage um Aufklärung. Demnach sei Pieper keineswegs „vergessen“ worden, sondern Undav schlicht der Torlinie näher gewesen, genau wie im Vergleich zu Coulibaly. „Die halbautomatische Abseitstechnologie (Semi-Automated Offside Technology, SAOT) hat diese Abseitsstellung erkannt und dem VAR als sogenanntes Event gemeldet. Angezeigt wird dem VAR dann das Bild mit den Abseitslinien, zusätzlich sind die relevanten Körperpartien der betreffenden Spieler mit einem Kreuz markiert“, erklärte Alex Feuerherdt, Sprecher der DFB Schiri GmbH (siehe DFB-Screenshot).
„Wir sind uns bewusst, dass die grafische Darstellung teilweise Fragen aufwirft“
Diese Linien generiere die Technik, nicht der VAR. Dieser aber überprüfe anschließend „noch einmal, ob das SAOT-Ergebnis plausibel ist, sowohl hinsichtlich der Abseitslinien als auch in Bezug auf den Kickpoint“, also den Moment der Ballabgabe. „Das SAOT-System zeigt dem VAR dabei auch sowohl die drei Frames vor dem automatisch bestimmten Abspielzeitpunkt an als auch die drei Frames danach. In jedem dieser Frames sind auch die Abseitslinien eingezeichnet. Vor der Freigabe prüft also noch einmal ein Mensch, ob das technische Resultat korrekt ist.“
Für die Verwirrung der TV-Zuschauer zeigt Feuerherdt durchaus Verständnis. „Die SAOT-Animation fürs Fernsehen wird automatisch generiert, also nicht vom VAR ‚gebastelt‘. Wir sind uns bewusst, dass die grafische Darstellung vor allem bei sehr knappen Abseitsstellungen – und wenn Spieler teilweise verdeckt sind – nicht optimal ist und teilweise Fragen aufwirft. Der Dienstleister arbeitet derzeit an einer Verbesserung dieser Darstellung.“ Grundsätzlich werden die Bewegungen der Spieler automatisch an 21 Körperpunkten erfasst. „Das System grenzt auch die Schulter vom Oberarm ab“, betonte Feuerherdt.
Den VfB brachte das zurückgenommene Tor letztlich nicht aus dem Konzept, auch Hoeneß wollte das Thema nicht zu hoch hängen. „Jetzt können wir locker darüber sprechen“, meinte er angesichts des 4:0-Sieges. Und der vermeintliche Torschütze? Undav hatte mit Blick auf den Linienrichter lieber erst gar nicht ausgiebig gejubelt – und erzielte später das zwischenzeitliche 3:0.
Insgesamt fünfmal traf der VfB Stuttgart am Sonntag in Bremen, doch das erste Tor zählte nach VAR-Eingriff nicht. Hatte der DFB dabei die richtige Abseitslinie gezogen?
