Trotz einer frühen 2:0-Führung hat Meister Bayer 04 gegen Schlusslicht Kiel nur Unentschieden gespielt. Nach gutem Start lässt das Team von Xabi Alonso dabei die Gier vermissen. Weshalb Kapitän Lukas Hradecky nach der Partie Alarm schlägt.
Leverkusens Kapitän fehlen Seriosität und Biss
Es waren keine zehn Minuten in der BayArena gespielt und trotzdem schien es sich in der Partie zwischen dem Double-Gewinner und dem Schlusslicht nur noch um die Frage zu drehen, wie hoch Bayer 04 Aufsteiger Holstein Kiel schlagen würde. Hatten Victor Boniface (4.) und Jonas Hofmann (8.) den Werksklub doch früh klar in Führung gebracht.
Doch daraus wurde nichts. Weil Bayer es fortan versäumte, eine Kieler Mannschaft, die enorme Probleme hatte, gezielt über die Mitte der eigenen Spielfeldhälfte zu kombinieren, endgültig auf die Verliererstraße zu schicken. Weil Bayer nicht mit letzter Konsequenz aufs dritte Tor ging. Ein Fakt, der Kapitän Lukas Hradecky den Kamm schwellen ließ.
„Wir lassen – metaphorisch gesprochen – den Patienten halt am Leben. Wir nehmen den Fuß vom Gas. Diesen Eifer, diese Bissigkeit habe ich leider nicht gesehen“, analysierte der 34-Jährige erst noch kühl, um dann sehr klare Worte zum gar nicht meisterlichen Auftritt des Meisters zu finden.
Weil Bayer sich in scheinbarer Sicherheit aufgrund der anfangs enormen Überlegenheit eben selbst einschläferte, ein selbstgefälliges Spiel entwickelte, durchzogen von Lässigkeiten und ohne die nötige Konsequenz. „Diese Lockerheit, ich weiß nicht, woher die kommt. Das ist insgesamt zu wenig. Damit kann sich kein einziger bei uns zufriedengeben“, monierte der Kapitän.
„So reicht es nicht. Zwölf Gegentore – diese Statistik ist auch Wahnsinn.“ (Lukas Hradecky)
Und mit jeder Frage bekamen die Antworten des finnischen Nationaltorhüters immer mehr den Biss, den Bayer zuvor hatte vermissen lassen, als man sich vor der Pause mit wiederholten Nachlässigkeiten selbst in Bedrängnis gebracht hatte. Hier ein Ausrutscher von Tah. Da ein Fehlpass von Tapsoba im eigenen Strafraum. Dort ein Ballverlust von Andrich kurz vor dem eigenen Sechzehner. Kiel nahm die Einladungen nicht an – und Bayer ignorierte die deutlichen Warnsignale.
„Wir sind trotzdem nicht wach geworden“, stellte Hradecky frustriert fest, „das sind die Momente, in denen man einsehen muss, dass es nicht geht, locker zu spielen. Ob das an einzelnen liegt? In der Mannschaft ist die Einstellung und das Klima gut. Aber so reicht es nicht. Wie viele sind das? Zwölf Gegentore nach sechs Spielen – diese Statistik ist auch Wahnsinn. Ich bin sehr verärgert.“
Bayers Spiel strahlt für Hradecky keine Seriosität aus
Der Routinier war bedient. Auch die Situation, die zum Elfmeter führte, der Kiel das 2:2 ermöglichte, brachte Hradecky auf die Palme. Weil kein Bayer-Profi zupackte, als sich Gigovic durchs Zentrum durchtankte: Ehe Frimpong den Mittelfeldspieler per Foul im Strafraum stoppte, hatten der Niederländer, Xhaka, Andrich und Tah nur halbherzig gegen diesen verteidigt. „Als ob wir uns da raushalten, weil wir uns nicht verletzen wollen“, motzte Hradecky, „das ist nicht akzeptabel.“
Von Arroganz wollte Hradecky nachher nicht explizit sprechen, tat es dann zwischen den Zeilen aber doch. Arroganz „ist ein starkes Wort, aber diese Leichtigkeit, diese Lockerheit“, sagte der Führungsspieler, „hat etwas anderes als Seriosität ausgestrahlt. So würde ich es formulieren. Das muss weg!“
„Ich hoffe, jeder denkt darüber nach und wacht auf.“ (Lukas Hradecky)
Weil sonst in Zukunft weitere solcher bösen Überraschungen drohen. Schon direkt nach der Länderspielperiode, wenn Überraschungsmannschaft Eintracht Frankfurt in Leverkusen gastiert. „Mit so einer Einstellung und so einer Leistung gewinnen wir da gar nichts“, ist sich Hradecky sicher, „ich hoffe, jeder denkt darüber nach und wacht auf in der Länderspielpause. So kann es nicht weitergehen.“
Das Problem verortet der Torhüter zwischen den Ohren. „Das ist eine reine Kopfsache. Gegen Bayern musst du verteidigen, gegen Mailand musst du verteidigen“, kritisierte Hradecky, dass Bayer nur bei den jüngsten Highlights hellwach und konsequent agierte, „aber bei manchen macht es nicht klick, wenn Holstein Kiel oder Bochum kommt.“ Es besteht Redebedarf beim Meister.