Am Dienstag stand Hugo Larsson in Frankfurt ganz normal auf dem Trainingsplatz – als wäre nichts gewesen. Doch in seiner Heimat Schweden bestimmt der Mittelfeldspieler weiterhin die Schlagzeilen. Der Disput mit Nationaltrainer Jon Dahl Tomasson und Larssons vorzeitige Abreise vom Nationalteam werfen Fragen auf.
Rätsel um vorzeitige Abreise des schwedischen Nationalspielers
In Schweden ist sogar schon vom „Hugo Larsson-gate“ die Rede. Als hätte eine Staatsaffäre das Land überrollt. Dabei ist eigentlich nicht viel passiert. Der Nationaltrainer setzte einen 20-jährigen Spieler nicht ein, woraufhin es einen kleinen öffentlichen Disput gab. Eher eine Auseinandersetzung mit Samthandschuhen. Ein Drama kann sich daraus wohl nur im von Eitelkeiten geprägten Profifußball entwickeln – oder in Hollywood. Was war passiert?
Trotz gewaltigem Hype: Gesamtes Spiel auf der Bank
Nach seiner starken Leistung beim 3:1 gegen Hoffenheim flog Larsson bester Laune zur Nationalmannschaft. Die Rückrunde war für ihn nicht gut gelaufen, doch nun scheint er sich aus dem Tal herausgekämpft zu haben. Bei der Eintracht sieht man in Larsson eines der größten Mittelfeldtalente Europas. In Schweden ist der Hype um den Shootingstar gewaltig. Umso größer war bei Larsson, aber auch vielen Fans und Beobachtern die Überraschung, dass Nationaltrainer Jon Dahl Tomasson am vergangenen Donnerstag beim Spiel in Aserbaidschan (3:1) 90 Minuten auf Larsson verzichtete.
Öffentlich begründete der Coach seine Entscheidung damit, dass Larsson zu wenige vertikale Pässe spiele – ein generelles Problem der Eintracht in der vergangenen Rückrunde. Doch bei den Hessen hat sich eher Ellyes Skhiri den Ruf erworben, zu oft quer- und zurückzuspielen. Larsson bewies speziell in der Hinrunde, dass er über ein für sein Alter außergewöhnliches Gespür verfügt, die richtigen Räume zu besetzen und kluge, scharfe Pässe zu spielen. Tomassons Erklärung wirkt deshalb nicht sonderlich überzeugend. Merkwürdig: In einer Trainingseinheit setzte er Larsson in der vergangenen Woche als Rechtsverteidiger ein. Auf die Idee käme in Frankfurt keiner.
Die Konkurrenz im Nationalteam ist keineswegs übermächtig. Yasin Ayari (Brighton), der beim Länderspiel in Baku in der ersten Elf stand, war in der vergangenen Saison bei den Zweitligisten Coventry und Blackburn kein Stammspieler. In der aktuellen Saison kam er in der Premier League dreimal als Joker zum Einsatz. Im Laufe der zweiten Hälfte wechselte Tomasson im Mittelfeld unter anderem Anton Saletros vom AIK Solna ein. Der 28-Jährige hatte zuvor erst fünf Länderspiele bestritten. Bei Larsson und auch Teilen der Fans stießen diese Personalentscheidungen auf Unverständnis.
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„Ärgerlich die fünfte oder sechste Wahl zu sein“
Von einem Profi darf man dennoch erwarten, dass er die Entscheidungen seines Trainers respektiert. Larsson hingegen ging in die Offensive und äußerte vor laufender Kamera seinen Unmut. Es sei ärgerlich, „die fünfte oder sechste Wahl“ zu sein, monierte Larsson. Nach dem guten Start in Frankfurt sei er mit einer anderen Erwartung zur Nationalmannschaft gekommen.
Außerdem kritisierte er Tomasson für die öffentliche Aussage, dass er nicht vertikal genug spiele. „Ich habe ihm gesagt, dass ich es besser gefunden hätte, wenn das unter uns oder innerhalb des Teams geblieben wäre. Manche Dinge sollten in der Familie bleiben“, sagte Larsson. Es wirkt etwas befremdlich, dass der Mittelfeldspieler so empfindlich auf den kleinen Tadel seines Trainers reagierte. Mit fachlicher Kritik muss ein Profi umgehen können, selbst wenn sie öffentlich geäußert und vom Spieler nicht geteilt wird.
Berechtigt ist hingegen sein Hinweis, dass er sich in seiner bisherigen Karriere immer dem Spielstil anpassen konnte. Im vergangenen Dezember lobte Trainer Dino Toppmöller den Senkrechtstarter in einem Interview mit dem kicker ausdrücklich für dessen Lernwillen: „Sein Talent und seine mentale Stabilität sind herausragend. Talent haben bei uns alle Spieler. Die Frage ist: Wie gehst du mit Rückschlägen um? Ich ziehe den Hut davor, wie Hugo Widerstände überwindet. Er lebt den Fußball mit allem, was er hat. Das zeigt sich auch bei den individuellen Videoanalysen. Er fragt nach, will alles wissen und sagt hinterher: ‚Ich liebe das und will mehr davon.'“
Abreise vom Nationalteam dank vorgetäuschte Verletzung
Absurde Züge erhielt das Drama am Sonntagmorgen, zweieinhalb Tage nach dem Spiel in Baku. Da veröffentlichte der schwedische Fußballverband eine Pressemitteilung, in der behauptet wird, dass Larsson wegen einer leichten Verletzung vorzeitig abgereist sei. Sogar der Spieler wird zitiert und drückt sein Bedauern darüber aus, dass er der Mannschaft nicht helfen könne. Ein albernes Schauspiel, da es sich nur um minimale Beschwerden handelte. Am Dienstag trainierte Larsson in Frankfurt normal mit. Die Mitteilung des schwedischen Verbands sorgte bei der Eintracht für Irritationen, da Meldungen über Verletzungen normalerweise mit der Medienabteilung des Klubs abgesprochen werden. Doch das stellt sich naturgemäß schwierig dar, wenn ein Spieler gar nicht richtig verletzt ist.
Noch immer ist unklar, was hinter verschlossenen Türen im Detail passierte. In Schweden glaubt kaum jemand, dass Larsson nur deshalb nicht eingesetzt wurde, weil er angeblich nicht genug Vertikalpässe spielt. Unklar ist ebenfalls, ob das Verhältnis zwischen Larsson und Tomasson irreparabel zerstört ist. Ein klärendes Gespräch erscheint angebracht. Öffentlich hat keiner der beiden etwas Verwerfliches über den anderen gesagt. Alles kein Drama. Dennoch entstand ein großer öffentlicher Wirbel, der nur Verlierer kennt.
Tomasson steht in der Kritik, weil er mit Larssons Nichtberücksichtigung unnötig ein Fass aufgemacht hat. Larsson muss sich hingegen den Vorwurf gefallen lassen, etwas zu empfindlich reagiert zu haben. Die nächste Länderspielpause ist schon Anfang Oktober. Dann wird der Mittelfeldspieler abermals im Fokus stehen – unabhängig davon, ob er nominiert wird oder nicht. Bis dahin muss es sein Ziel sein, in Frankfurt wieder sportlich Schlagzeilen zu schreiben.