Auf zwei Schritte nach vorne folgte einer zurück: Borussia Dortmund geht nach dem 1:3 in Mainz mal wieder angeschlagen in eine Länderspielpause. Die Niederlage hatte zwei Knackpunkte, die die Probleme des BVB offenlegten.
Zwei Knackpunkte für die BVB-Niederlage in Mainz
„Die Geschichte ist schnell erzählt“, sagte Nuri Sahin, als er nach der 1:3-Niederlage in Mainz am Samstag um eine Analyse der vorangegangen 90 Minuten gebeten wurde. Zwei Knackpunkte in der Partie hob der BVB-Trainer anschließend hervor: die frühe Rote Karte für Emre Can in der 27. Minute und das Mainzer 2:1 nur Sekunden vor dem Pausenpfiff (45.+3). „Wir sind ordentlich ins Spiel reingekommen. Dann kriegen wir die Rote Karte, danach wurde es extrem schwer. Wie wir dann das 1:2 kassiert haben, das ärgert mich sehr“, sagte Sahin.
Sahins verständlicher Frust
Sahins Frust über die beiden Szenen war verständlich, offenbarten sie doch punktgenau die aktuellen Schwachstellen in der Dortmunder Mannschaft. Bei seinem Platzverweis fehlte Can das richtige Maß, nachdem er den ersten Zweikampf noch für sich entschieden hatte. Anstatt Jae-Sung Lee zu stellen, setzte er zu einer übermotivierten Grätsche an und erwischte den Südkoreaner voll am Fuß. Rot war die einzig logische Konsequenz. Der BVB-Kapitän – der in der jüngeren Vergangenheit häufig hart kritisiert wurde, zuletzt aber gegen Wolfsburg, Leipzig und Graz überzeugt hatte – erwies seiner ersatzgeschwächten Mannschaft damit einen Bärendienst. Ein gestandener Innenverteidiger saß nicht mehr auf der Bank, einzig U-23-Spieler Yannik Lührs bot sich Sahin noch als Wechselalternative an.
Statt sofort zu wechseln und damit in einer engen Phase auf ein Talent ohne Bundesliga-Erfahrung zu setzen, entschied sich Dortmunds Trainer dazu, Felix Nmecha eine Linie nach hinten zu ziehen. Eine Entscheidung, die einerseits nachvollziehbar war, andererseits aber komplett nach hinten losging. Denn Nmecha patzte nicht nur beim Mainzer Eröffnungstreffer durch Lee (36.), den Serhou Guirassy kurz darauf per Strafstoß ausgleichen konnte (40.). Er sah auch beim 1:2 denkbar schlecht aus, weil er die Innenbahn nicht entschlossen genug zumachte und dadurch den Torschützen Jonathan Burkardt, zu dem er den Kontakt verloren hatte, überhaupt erst an den Ball kommen ließ.
Brandt: „Individuell einfach nicht konsequent genug verteidigt“
„Am Ende ist es individuell einfach nicht konsequent genug verteidigt. Da haben wir noch ein bisschen was zu lernen“, analysierte BVB-Vizekapitän Julian Brandt schonungslos. Die Rote Karte Cans habe „den Spielverlauf nicht besser“ gemacht, aber: „Emre hat nicht drei Gegentore kassiert, das waren die zehn Spieler auf dem Platz.“ Eine Analyse, die Sportdirektor Sebastian Kehl teilte: „Es war klar, dass es in so langer Unterzahl schwierig werden würde, deshalb hätte es uns gut getan, das Remis länger zu halten. Dann wäre das Spiel offener gewesen.“
So aber fielen die nach wie vor anhaltenden Dortmunder Personalprobleme umso schwerer ins Gewicht: Am Ende einer nerven- wie kräfteraubenden Periode von Mitte Oktober bis Mitte November musste der ohnehin im roten Bereich laufende BVB 65 Minuten lang in Unterzahl agieren und davon insgesamt 50 Minuten einem Rückstand hinterherlaufen – und das, ohne personell angemessen darauf reagieren zu können, weil auf der Bank schlicht die Alternativen fehlten. Die wettbewerbsübergreifend sechste Auswärtsniederlage in Serie war die fast schon logische Konsequenz – die zu enormem Ärger bei den Beteiligten führte.
„Ich habe keinen Bock mehr darauf, aus irgendwelchen Städten mit Niederlagen nach Hause zu fahren. Das geht mir auf den Sack.“ (Julian Brandt)
„Es muss das Ziel sein, diesen Scheiß-Bann bald zu brechen. Ich habe keinen Bock mehr darauf, aus irgendwelchen Städten mit Niederlagen nach Hause zu fahren. Das geht mir auf den Sack“, schimpfte Brandt und sprach von einer ebenso „ätzenden“ wie „ernüchternden“ Situation auf fremden Plätzen: „Die Auswärtsspiele haben wir schon am Anfang mit voller Kapelle nicht gezogen. Und jetzt auch nicht mit halber Kapelle. In den restlichen Spielen bis zur Winterpause muss das ganz klare Ziel sein, uns in eine absolut vernünftige Ausgangssituation für das zweite Halbjahr zu bringen.“
Hoffnung machen den Beteiligten die Rückmeldungen aus dem Lazarett: Nach der Länderspielpause könnten etliche der zuletzt fehlenden Profis – etwa Gregor Kobel, Waldemar Anton, Niklas Süle und Karim Adeyemi – zurückkehren und damit das Personal-Tableau Sahins erweitern. Auch die Tabellensituation ist noch nicht aus dem Rahmen gelaufen: Zwar ist der FC Bayern bereits zehn Punkte enteilt, die Rückstände auf Leipzig (fünf Zähler) und Leverkusen (ein Zähler) sind allerdings noch überschaubar.
Die mitreisenden Fans sprechen der Mannschaft Mut zu
Allerdings: In den nächsten beiden Heimspielen trifft der BVB auf den SC Freiburg, der bislang einen Punkt mehr geholt als die Borussia, und den souveränen Tabellenführer FC Bayern.
Beide Partien werden echte Prüfsteine und richtungweisend für den Rest der Saison. Unabhängig vom Ergebnis steht allerdings bereits jetzt fest, dass im Winter Korrekturen notwendig sind: Der vor der Saison bewusst verschlankte Kader hat sich bereits nach zehn Spieltagen als zu dünn erwiesen. Auch hier muss der BVB ähnlich wie bei der Zweikampfführung das richtige Maß finden.
Immerhin konnten sich die Dortmunder in Mainz – mal wieder – auf die Unterstützung ihrer Fans verlassen, die zuletzt häufiger die richtige Balance fanden als ihre Idole. Statt die aus dem letzten Loch pfeifende Mannschaft nach der Niederlage auszupfeifen, gab’s aufmunternde Worte, die auch Dortmunds Verantwortliche in den Glauben bestärkt haben dürften, den mit dem jungen Trainer Nuri Sahin eingeschlagenen Weg konsequent fortführen zu wollen. „Extrem positiv“ seien die Gespräche mit den Fans gewesen, berichtete Aushilfsrechtsverteidiger Pascal Groß nach dem Gang vor den Block. „Der Dortmunder Fan honoriert harte Arbeit. Sie haben uns Mut zugesprochen und uns gesagt, dass wir das zusammen durchstehen.“ Auch die Geduld der Anhänger allerdings dürfte nicht endlos sein. Der BVB braucht konstant gute Ergebnisse – und das nicht erst nach Weihnachten.